Der Hochzeitsschneider von Athen

Der 50-jährige Nikos scheint wie aus der Zeit gefallen: Der alteingesessene Athener Schneider stellt ausschließlich Maßanzüge aus hochwertigem Stoff her, perfekt geschnitten und entsprechend hochpreisig. Gemeinsam mit seinem alten Vater betreibt er ein Geschäft, dem zunehmend die Kunden ausgehen. Zu groß ist die Konkurrenz durch Billig-Konfektionsware aus China oder Bangladesch, und die Bank droht bereits mit Zwangsvollstreckung. Nikos muss sich etwas einfallen lassen – und er findet seine Nische! Für Hochzeitskleider wäre die weibliche Kundschaft noch bereit, Geld auszugeben. Frei nach dem Grundsatz, dass der Berg zum Philosophen kommen muss, wenn er nicht zum Berg kommt, konstruiert Nikos eine fahrende Schneiderwerkstatt - und sucht seine Kundinnen direkt zu Hause auf. Wie sich nebenbei noch eine Liebesgeschichte zwischen Nikos und der Mutter einer kleinen Tochter entwickelt, erzählt die deutsch-griechische Regisseurin Sonia Liza Kenterman in ihrem kleinen, sehr feinen, detailverliebten Film gleich mit. Ebenso unaufdringlich entfaltet sich die Folie der allgegenwärtigen Wirtschaftskrise im heutigen Griechenland. In leise-komödiantischen Szenen und mit teils märchenhaften Tönen folgt man dem entzückenden Aufbruch eines Außenseiters, der sich noch einmal neu erfinden muss – in einem um 30 Jahre verzögerten Coming of Age. "Mit dem inneren Aufbruch des sanften Helden geht eine ästhetische Befreiung des Films einher (...): Er bewegt sich aus dem dunklen Interieur des Ladens, in dem die Kamera uns liebevoll die alten Regale und edlen Stoffe zeigt, hinaus auf die hellen Straßen und quirligen Märkte Athens und später in die lebhaften Vorstädte. Vor allem im Anfangsteil mit seiner weitgehend stummen, humoristischen Narration erweist Kenterman ihren Vorbildern Referenz: Jacques Tati, Buster Keaton und französische Komödien der 1960er-Jahre. Sobald sich Nikos ins Getümmel der Straßen begibt und Olga näherkommt, wird die Inszenierung warmherziger, dramatischer und beschwingter." (Reinhard Kleber, auf: filmdienst.de)